Es ist nun ziemlich genau ein Jahr her, als wir uns entschlossen hatten, erstmals einen Pflegehund aufzunehmen.
Der Winter ist auch auf Zypern sehr kalt und der Gedanke, dass insbesondere noch so viele Welpen dort über Winter ausharren müssen, war der Anlass für unsere Entscheidung.
Wir wollten es einfach mal versuchen. Wir hatten keine Ahnung, wie das werden würde; fühlten uns aber von Franziska Pölking, die sich damals noch als Pflegestellen-Beauftragte um die Fragen, Sorgen und alle Belange der Pflegestellen kümmerte, einfach richtig toll begleitet und sind ihr auch heute noch sehr dankbar dafür.
Alles war also gut vorbereitet und organisiert, als unser erster Pflegehund sich Mitte Dezember 2014 auf seine Reise zu uns aufmachte. Es war die kleine LISA. Schon da bekamen wir ein Gefühl für die Probleme eines Tierschutzvereins, der auf Flugpaten angewiesen ist. Gerade im Winter ist diese Bemühung, Flugpaten zu finden, besonders aussichtslos. LISA hatte, wie viele andere Zypernpfoten in Not, eigentlich nur eine einzige Chance zur Ausreise! Der Privatflieger von Herrn Schöller! Und durch unsere Zusage, sie als Pflegehund aufzunehmen, bekam sie ein Ticket! Ein Ticket in eine Zukunft als Familienhund!
Dann das nächste Problem: wie kommt „Klein-Lisa“ von Hamburg, wo der Flieger landete, nach Koblenz? Eine gut vierstündige Hin- und nochmal vierstündige Rückfahrt, wollte und konnte ich dann doch nicht ganz alleine auf mich nehmen. Da außer Lisa mit dem Flieger noch zwei weitere vermittelte Hunde ankamen, alle mit Ziel Rheinland, fand sich auch hierfür eine Lösung. Und so fuhren wir nur noch eine gute Stunde, um Lisa abzuholen.
Wie aufregend das war! Ein kleines Hundebaby auf Zeit zu verpflegen, macht viel Freude, natürlich auch etwas Arbeit, aber es gibt uns das richtig gute Gefühl, für diese kleine Fellnase, etwas sehr, sehr Wichtiges getan zu haben. Für dieses kleine Hundebaby war unsere Entscheidung, ihn als Pflegehund aufzunehmen, vielleicht die Wichtigste in seinem kurzen Leben; abgesehen von der nächsten Entscheidung, die anstand: wer wird die kleine Zypernpfote letztlich adoptieren und ihr für immer ein Zuhause schenken?
Und das funktionierte so: LISA wurde vom Verein Zypernpfoten-in-Not in verschiedenen Internetportalen zur Vermittlung eingepflegt. Interessenten meldeten sich beim Verein und es erfolgten Vorgespräche, ob diese Menschen grundsätzlich mit ihrem Lebensumfeld, ihrer Lebenssituation, zum Hund passen könnten. Es meldeten sich ganz bald schon „passende“ Interessenten und es erfolgte eine Kontaktaufnahme mit uns als Pflegestelle. Die weiteren Gespräche verliefen positiv und die Interessenten machten sich auf eine zweistündige Fahrt auf den Weg zu uns, um unsere LISA zu besuchen und zu schauen, ob der Sympathiefunke überspringen würde. Dem war so - und so erfolgte noch eine Vorkontrolle, die Vertragsunterlagen wurden vom Verein gefertigt, und schließlich zog LISA kurze Zeit später in ihr endgültiges Zuhause.
Und wir? Wie fühlten wir uns da? Wie fühlt man sich als Pflegestelle, wenn ein liebgewonnener Hund wieder geht?
Diese spannende Frage, die wir uns vorher auch nicht beantworten konnten, wurde erstmals von uns allen durchlebt! Von uns allen, das bedeutete auch, dass unsere beiden Kinder nun erstmals davon betroffen waren, damit klarzukommen. Sie waren damals 9 und 12 Jahre alt. Und da gab es Tränen, Wut, Sorgen und Trauer. Ich dachte: „Oh mein Gott, dass kannst du den Kindern nicht nochmal antun!“ Wir Erwachsenen konnten damit durch Einschaltung des Verstandes zwar besser umgehen; aber auch uns fiel der Abschied schwer.
Aber der Wunsch, einigen Hunden auch zukünftig beim Start in ein neues Leben zu helfen, überwog! Also sprachen wir immer wieder mit den Kindern darüber (was wir im Vorfeld natürlich auch getan hatten), dass wir für den Pflegehund DIE große Chance waren, auf ein neues, tolles Leben! Dass wir nun mal nicht mehr Hunde, als unsere zwei eigenen, dauerhaft halten könnten und wollten, dass wir aber ein paar mehr Hunden dazu verhelfen könnten, den Betonzwinger auf Zypern gegen eine eigene Familie in Deutschland zu tauschen! Dass die Chance auf eine Vermittlung viel, viel größer sei, wenn sie denn erstmal hier in Deutschland sein könnten! Und dass wir nicht nur dem einen Hund, der dann als Pflegehund gerade bei uns wäre helfen, sondern dass dieser Hund ja auch auf Zypern im Tierheim einen Platz frei machen würde, den wieder ein neuer Hund bekommen könnte, der dort entweder noch auf den Straßen umherirrte, oder in einer Tötungsstation auf seine Rettung wartete. Also hilft man direkt zwei Hunden auf einmal!
Die Kinder waren dann auch alsbald bereit, sich einer neuen emotionalen Herausforderung zu stellen; und irgendwann überwog auch bei ihnen die Vorfreude auf unseren zweiten Pflegehund. Das Auswählen macht ihnen dabei natürlich besondere Freude und wir versuchen innerhalb der Familie einen Konsens zu finden, wer der nächste Pflegi sein könnte, was natürlich auch nicht immer leicht ist. Aber es geht!
Nach nunmehr insgesamt 4 Pflegehunden ziehe ich folgendes Fazit:
Unsere Kinder lernten den Tierschutzgedanken hinter dem Projekt „Pflegestelle“ zu erkennen und zu akzeptieren. Überhaupt: aktiver Tierschutz ist ihnen nun kein Fremdwort mehr! Und sie wollen nun nicht mehr jeden Pflegehund behalten; nur noch jeden zweiten!
Der Tag der Abgabe ist manchmal ein schöner, manchmal ein schwieriger Tag. Manchmal auch ein einsamer Tag, denn nicht alle Familienmitglieder können oder wollen bei einer Abgabe dabei sein. Es gab Vermittlungen, wo wir alle glücklich und fröhlich waren und den Hund wirklich gerne gehen lassen konnten, und es gab Momente bei sich anbahnenden Vermittlungen, wo man doch noch absagte, und den Hund dorthin nicht gehen lassen konnte oder wollten. In diesen Fällen dann manchmal auch zum Ärgernis der Interessenten, bei denen man nicht immer auf Verständnis für eine Absage trifft, und die Argumente für die Absage nicht immer nachvollzogen werden können oder wollen - leider. Doch damit muss man dann auch leben lernen. Man macht sich nicht nur Freunde bei der Vermittlung von Hunden – das ist nun mal so, wenn man für einen Hund genau die Menschen finden will, die für ihn am besten passen!
Hunde mit Herz und Verstand gut zu vermitteln, ist also eine Frage der richtigen Passung. Vermittlung in diesem Sinne hat viele Aspekte zu berücksichtigen und zu überdenken! Es gibt nicht einen Punktekatalog, den man einfach abhakt und dann passt es schon! Nach dem Motto: Zeit, Haus mit Garten...passt! Nein. Es sind viele Dinge, die letztlich eine Rolle spielen können – und bei jedem Hund sind es andere! Viele Überlegungen, wie „Habe ich alles genügend bedacht? Wo könnten vielleicht Probleme aufgrund unterschiedlicher Ansprüche und Erwartungen entstehen? Sind die besprochen? Sind die lösbar?“ und am Ende aller Überlegungen spielt auch eine gute Portion Bauchgefühl eine ausschlaggebende Rolle. Bei alledem sammelt man so seine Erfahrungen und wächst auch da hinein.
Ich kann nach einem Jahr sagen: bei alledem steht und stand mir der Verein immer sehr hilfreich und beratend zur Seite. Jederzeit konnte ich mir Rat bei den Vermittlerinnen oder der Pflegestellenkoordinatorin einholen. Für und Wider bei Vermittlungsüberlegungen haben wir zum Teil lange und ausgiebig diskutiert und abgewogen, Bauchgefühle besprochen, um letztlich zu einem Ergebnis zu kommen. Absagen, wenn gewünscht, übernahm auch die Vermittlerin – falls man es nicht selber konnte oder mochte. Es wird unterstützend alles getan, damit wir uns als Pflegestelle wohl und betreut fühlen.
Und was für uns das Allerwichtigste überhaupt ist: ein Hund zieht nur ein – und insbesondere wieder aus – wenn wir damit auch einverstanden sind! Es gibt keine Vermittlung über unseren Kopf hinweg sondern nur gemeinsam mit uns. Und nur auf dieser Grundlage schafft man diese Aufgabe auch!
Die Pflegehunde schenken einem all' ihre Liebe und ihr Vertrauen und es gibt gottlob immer wieder viele, ganz wunderbare Menschen, die bereit sind, unseren Zypernpfoten ein ganz, ganz tolles Zuhause zu geben, und die einem auch später immer wieder mal Fotos von den einstigen Pflegehunden schicken und einem somit ein Lächeln ins Gesicht und ein warmes Gefühl ins Herz zaubern. Darüber freuen wir uns alle sehr und dafür tun wir das auch gerne! Tierschutzarbeit ist und bleibt eben eine Herzenssache!
Wir haben in einer Collage einige Fotos unserer Pflegehunde 2015 zusammengestellt und auch die Zeit, die sie bei uns waren. Aber egal, ob eine Woche oder 12 Wochen! Wir haben sie alle in unser Herz geschlossen!
In diesem Sinne hoffe ich, es finden sich noch viel, viel mehr Menschen, die bereit sind, einem Hund aus dem Tierschutz ein Zuhause für immer oder auf Zeit, als Pflegestelle, zu schenken! Nur Mut! Es tut so gut!
Nadja Breisig und Familie,
mit den beiden Zypernpfoten Lucy und Robin,
wünschen allen Tierschutzfreunden
eine schöne Weihnachtszeit,
Glück und Gesundheit
und
alles Gute für 2016 !